Gemeinsam mit dem Architekturbüro Weis & Volkmann beteiligte sich solitaire factory an einem Wettbewerb der Kulturstiftung Leipzig zur Gestaltung des Nikolaikirchhofs. Die Ausschreibung sah vor, den historisch bedeutsamen Platz (Ausgangspunkt der 89er-Ereignisse) mit einem Brunnen zu bereichern. Bereits im Vorfeld wurde entschieden, dass ein Entwurf des Künstlers Andreas Stötzner für ein „Wende-Denkmal“, nämlich die originalgetreue Nachbildung einer Säule der Nikolaikirche, auf dem Platz realisiert werden soll.
Die Jury entschied sich für unseren Brunnenentwurf. Dieser sah vor, einen leicht geschwungenen Wasserlauf in ein flaches Becken münden zu lassen, wobei das Wasser mit starker Strömung fließen und in einem Strudel im Boden verschwinden sollte. Die Form war bewusst sehr zeitgemäß; die Baustoffe richteten sich allerdings nach den schon vorhandenen, den Platz bestimmenden Materialien (roter Porhyr und Schlacke-Pflastersteine).
In seiner Materialität und unaufdringlichen Eleganz hätte sich der Brunnen sehr gut in das Gesamtbild des Nikolaikirchhofes integrieren lassen. Außerdem hätte er einen hohen Aufenthaltswert garantiert, da er sich außerordentlich gut zum Sitzen und Erfrischen geeignet hätte.
Ausgelöst von einem offenen Brief des Künstlers Stötzner an die Leipziger Volkszeitung, in welchem heftig gegen unseren Entwurf polemisiert wurde, entstand eine merkwürdige Scheindebatte, die – wie sich bald herausstellen sollte – in erster Linie vom Umfeld Stötzners sowie einer Handvoll Traditionalisten lanciert wurde. In der Öffentlichkeit stellte sich dies fälschlicherweise als breite Front gegen den Brunnenentwurf dar. In der LVZ erschienen, trotz permanenter Dementis unsererseits, immer wieder die gleichen Falschaussagen und Halbwahrheiten. Die Folge war, dass die Kritiker des Entwurfs auch den Vorstand der Kulturstiftung dahingehend beeinflussten, den demokratisch abgestimmten Entscheid der Fachjury zu kippen. Um die Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag der „friedlichen Revolution“ nicht mit dieser Debatte zu überschatten, sah sich der Leipziger Oberbürgermeister Tiefensee schließlich zur Intervention gezwungen und legte das Projekt zunächst auf Eis. Einige Zeit später wurde – ohne die Wettbewerbsgewinner davon in Kenntnis zu setzen – der zweitplatzierte Entwurf des Londoner Architekturstars David Chipperfield realisiert.
Was in der Debatte nie zur Sprache kam, war der hintergründige Verweis auf die teilweise leider fragwürdigen Ergebnisse der „Revolution“ – das die demonstrierenden Menschen und die nicht zu bremsenden Ereignisse symbolisierende Wasser verlor sich in einer hoffnungslosen Kreisbewegung, um in einem Strudel zu verschwinden.
Die Modellfotos zeigen den Brunnen in seiner ersten Fassung. Später wurde entschieden, das Porphyrelement, welches den Wasserlauf einseitig begrenzt, auf die andere Seite, also in Richtung Nikolaikirche zu verlegen, damit der Brunnen von der Kirchenseite aus offen begehbar ist. Während der Wasserlauf selbst mit einem Gefälle versehen werden und sich zum Becken hin erweitern sollte, war für die Porphyrscheibe eine konstante Höhe von ca. 70 cm vorgesehen. Der gesamte Brunnenkörper sollte unter Verwendung der Originalpflastersteine fließend aus dem Platz „herauswachsen“, und somit nicht als Fremdkörper wirken. Das kreisrunde Becken, welches den Abschluss des Wasserlaufs bildet, sollte fast ebenerdig angelegt sein.